Mittwoch, 8. Dezember 2010

Heimkehr oder Handel auf der Tokioter Börse

wenn das durch befleckte Empfängnis gezeugte Europa
die Dunkelheit mit Lichtern zu messen versucht,
öffnet ein japanischer Ninja-Roboter
seinen blauen Laptop wie den Sonnenaufgang.
auf dem Bildschirm dreht sich der Planet wie eine Kugel
im Kugellager des Sonnensystems.
und ein alter Rikschafahrer chauffiert eine Prostituierte
von ihrer Schicht zum Tokioter Stadtrand.
ihre Augen sind klar. sie ist frei.
sie würde sich gerne in den Kunden
verlieben, der Bond so ähnelt...
er spielt aber nicht in Liebesfilmen.
sie würde wie eine echte Schauspielerin
all den Zuschauern verzeihen, die ihrer Kunst
und ihrem Film nicht glauben wollen...
sie bezahlt den Rikschafahrer mit Reis
und steigt zum Himmel auf, wo Flugzeuge Kokainstreifen ziehen.

von Sergej Tenjatnikow

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Reinkarnation

der Mond hängt über dem Wald wie ein nacktes Ziffernblatt,
aus den Gebäudefenstern ragen trockene Äste der Industrie...
der Reichsführer kapselte sich in einer Gummizelle
wie in einem Bunker ab
und schreibt ein Testament...
(er zeichnet die Transsib auf der Karte wie ein Auslandstourist.)
der Dschihad ist für ihn nichts Neues. und Göbbels wie ein Transformer
im weißen Panzer würde eher sterben als Westberlin aufgeben.
wo Oder und Neiße zu einem Cocktail
namens Bloody Mary zusammenfließen,
fallen die Türken ins russische Hinterland ein.
der Schnee deckt das Blut auf der Flagge Polens zu,
und über all dem ist Jesus gekreuzigt in einem schwarzen Loch.
der Himmel drückt die Sterne wie überreife Pickel aus.

du wachst auf... und siehst mit geschlossenen Augen,
wie über dir ein Rabe kreist.
aus dem Wasserhahn im Bad fließt Kohlendioxid.
du wünschst dir, das alles nie wieder zu sehen...
das Handtuch ist aber voll Blut.

von Sergej Tenjatnikow

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