Dienstag, 27. Oktober 2009

Bastion

Vollmond.
auf ihm ist das Wasser gefärbt wie gehärteter Stahl.
es fließen Kutter, Boote, gelegentlich Schiffe und Tanker.
über die Bucht: Palmen laufen die Küste hinauf
und magere Sträucher gleiten zu den Wellen hinab.

unterhalb der Bastionsmauern liegt Havanna
wie eine Mulattin in zerrissenem Kleid
flachgelegt von einem schönen Spanier.
die Bastion schläft wie ein Veteran,
der Könige, Kriege, Dichter,
Unabhängigkeit, Diktatoren und Revolutionen überlebte.
sie erinnert sich an Piraten,
an ihre stählernen Schädel und Musketen.
sie würde Rum auf ihr Wohl trinken, auf ihr Gedenken,
sie hat aber keine Kehle.
der Leuchtturm gähnt durch seine Zahnlücken in die Nacht.
die Bastion schlummert.
die Stadt grummelt dumpf wie ein Hund am Bett des Herrchens.
und irgendeine gutherzige Waschfrau trocknet Wäsche

auf dem Exerzierplatz 
wie Segel an den Masten.
Punkt neun Uhr.
Kanonenschuß.
danach geben die spanischen Soldaten ihre Uniformen 
in der Garderobe ab.
der einäugige Mondschädel sieht die Bastion scheel an,
Havanna mit Fackellicht beleuchtend.
die Stadt schläft nicht bis zwei Uhr Mitternacht.
so ist der Brauch.
von Sergej Tenjatnikow

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