Dienstag, 27. Oktober 2009

Im Sinne der Nationalsprache: Vom Sprachpurismus in Frankreich

There’s no better way to fly, wirbt die Lufthansa. Nur nicht in Frankreich.Oder besser: Nur nicht ausschließlich in Frankreich, denn da heißt es im Untertitel: Il n’a pas plus belle façon de s’envoler*. Unter Philologen bezeichnet man solch ein Phänomen als getreue Hässliche, als wortwörtliche, aber ästhetisch anspruchslose Übersetzung.


Aber vielleicht soll dieser Satz überhaupt nicht als Slogan fungieren und damit gar keinen Anspruch auf Attraktivität besitzen, sondern lediglich den eigentlichen Claim, wie es in der Werbesprache heißt, paraphrasieren. Damit würde die französische Werbung das sichern, was bei deutscher oft nicht ganz vorhanden ist: Nämlich das vollständige Verständnis bei den (potenziellen) Konsumenten. Die Endmark AG in Köln, ein Unternehmen, das Markennamen entwickelt, hat in verschiedenen repräsentativen Umfragen mit jeweils über 10.000 germanophonen Probanten zwischen 14 und 49 Jahren herausgefunden, dass viele englischsprachige Werbeslogans kaum oder gar nicht verstanden werden. So wurde der Youtube-Spruch „Broadcast yourself“ auch schon mal als „Mache deinen Brotkasten selbst“ oder „Taste Tuned“ (Mixery) als „Die Taste ist getuned“ übersetzt. Um solche Missverständnisse auszuschließen wird in Frankreich jeder englischsprachige Werbeslogan, der keine französische Übersetzung mitliefert, mit einer Geldstrafe belegt. Bleibt nur die Frage im Raum, warum die Werbung dort nicht komplett auf den englischen Claim verzichtet. Wäre das etwa contra-global oder sollen auf diese Art und Weise die Franzosen einen kleinen Englischkurs absolvieren?


Ähnliche Vorschriften gibt es dort auch in anderen Bereichen. So müssen 40% der Lieder in Unterhaltungsmusikprogrammen auf Französisch sein. Auch das fordert, ebenso wie Übersetzung bei Slogans, das französische Sprachschutzgesetz, das 1994 unter dem damaligen Kulturminister Jacques Toubon (oder Jack Allgood, wie er von seinen Gegnern genannt wird) verabschiedet worden ist.


Die Académie Française bemüht sich seit ihrer Gründung 1635 um die Reinhaltung der französischen Sprache und heutzutage um die Abwehr der Anglizismen. Aber nicht in dem Sinn, wie es durch unsere Gesellschaft für deutsche Sprache oder den Verein der deutschen Sprache geschieht. Nein, die Akademie gibt nicht nur Empfehlungen wie hierzulande, sie normiert auch. In ihrem Dictionnaire de l’Académie française, DEM französischen Wörterbuch, finden kaum Fremdwörter Eingang. Aber immerhin gehören Knödel, Hamburger und Bretzel in den offiziellen Wortschatz. Zudem geben die 40 Mitglieder der Akademie, die sich selbst pathetisch des Immorteles („die Unsterblichen“) nennen, Empfehlungen für Wortneuschöpfungen zur Bezeichnung jener Gegenstände, für die noch kein französisches Wort existiert, sodass vor allem Anglizismen ungenutzt bleiben sollen. Im Falle von vacanelle, welches le week-end ablösen sollte, glückte der Versuch nicht. Aber es gibt zahlreiche Gegenbeispiele. Sucht man in einem Elektrofachgeschäft nach einem PC oder Hardware, wird man das Bezeichnete als ordinateur und matériel finden.


Wie weit der Sprachpurismus in Frankreich geht, konnte ich während meines Auslandssemesters dort nahezu tagtäglich erleben. Einigermaßen verwirrt war ich, als ich in einem Seminar zur deutschen Literatur und Sprache des Mittelalters saß und in Verbindung mit dem Thronstreit (das vermutete ich zumindest) Namen wie Frédéric, Hénri und Philippe de Souabe hörte. Natürlich, ich verstand schon, es handelt sich hierbei um parallele Namenformen zu Friedrich, Heinrich und Philipp von Schwaben und ich war ja schließlich in Frankreich. Allerdings besuchte ich keine Veranstaltung der Geschichtswissenschaften, sondern der Germanistik. Und hier wurde teilweise auf Deutsch doziert. Warum also wurde den eifrigen Deutschlernenden die deutsche Geschichte nicht anhand deutscher Namen präsentiert?! Französisch aussprechen können sie sie ja dann immer noch und würden sie freilich auch.


Und dann ist da noch die Sache mit der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, einem Vertrag aus dem Jahre 1992, der bedrohte Sprachen schützen und fördern soll und dessen Ratifizierung mittlerweile Pflicht ist um in die EU aufgenommen zu werden. In Deutschland gelten neben dem Niederdeutschen und dem (Nieder-, Ober- )Sorbischen auch das Dänische, das (Nord- und Sater-) Friesische und Romanes als die Sprachen, deren Präsenz in den entsprechenden Gebieten in Schule, Medien und Behörden gefördert wird. In Frankreich gibt es zwar zahlreiche Sprachen, von denen einige stark vom Aussterben bedroht sind, wie das Okizitanische und das Franko-Provenzialische, doch das bietet noch lange keinen Grund die bereits unterzeichnete Charta zu ratifizieren. Jacques Chírac soll einmal formuliert haben, dass die Charta die „Einheit des französischen Volkes bedrohen“ würde, da sie „Sonderrechte an organisierte Sprachgemeinschaften verleihen könnte“. Gleichzeitig muss man aber zu Gute halten, dass es auf französischem Territorium auch Schulen gibt, an denen neben Französisch auch auf beispielsweise Bretonisch oder Katalanisch unterrichtet wird. Auch zweisprachige Straßenschilder, wie dies bei uns in der Lausitz üblich ist, wurden in Frankreich schon gesehen.


A better way, finde ich. Ein Land, das derart fanatisch ist, die eigene Sprache - nein, ich verbessere, die eine eigene Sprache, die Nationalsprache, vor äußeren Einflüssen zu schützen, sollte doch vielleicht verstehen, dass auch andere, verwandte Sprache ein kulturelles Gut darstellen und durchaus schützenswert sind.


* Es gibt keine bessere Art und Weise zu fliegen.

1 Kommentar:

  1. Über die Art und Weise, wie in Frankreich mit der eigenen und anderen Sprachen umgegangen wird, kann man sehr verschiedene Meinungen hören. Ich finde es sehr interessant, dass der Artikel einige wissenswerte Fakten und unterhaltsame Beispiele liefert. Von der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wusste ich neben anderen dargestellten Fakten noch gar nichts; dass Frankreich diese Charta nicht unterschreibt, finde ich bemerkenswert und ich stimme der Autorin zu, dass diese Haltung problematisch ist, wenn man mit dem Schutz der eigenen Nationalsprache argumentiert.
    Allerdings denke ich auch, dass der beschriebene Umgang mit ausländischen Werbeslogans nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist. Die Autorin nennt selbst Beispiele, wie auch in Deutschland englischsprachige Werbeslogans für Verwirrung sorgen. Ist es denn nicht auch ein Recht jedes Bürgers, dass er in seinem Heimatland an der gesellschaftlichen Kommunikation teilnehmen kann und diese deshalb in seiner Muttersprache stattfindet? Schließlich ist auch Bildung, also auch Fremdsprachenkenntnis, heute noch kein Gemeingut, das jedem Menschen frei zugänglich ist.
    Und schließlich: Sagen wir nicht auch „Ludwig der Vierzehnte“?

    Roman

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