Man sagt, Kunst sei Ausdruck ihrer Zeit. Ich denke, dass dies auf die Gedichte Sergej Tenjatnikows zutrifft; zumindest kenne ich keinen Lyriker, der formal und inhaltlich vergleichbare Gedichte geschrieben hat. Sergej Tenjatnikows Lyrik kann also nicht nur bezogen auf ihre Entstehungszeit als zeitgenössisch bezeichnet werden. Wer ihn kennt, weiß, dass die Suche nach neuen poetischen Ausdrucksmitteln, das Neuerschaffen und nicht das Nachahmen auch ein Anspruch ist, den der Autor an sich selbst erhebt. Das vorrangige poetische Instrument Sergej Tenjatnikows ist die Metapher, seine zahlreichen bildlichen Vergleiche und Gleichnisse, für deren Verständnis nicht selten Hintergrundwissen und Kenntnisse von Nöten sind. (Dieses Hintergrundwissen beim Leser vorauszusetzen, halte ich aber auch für eine seiner Schwächen, weil das dem unbefangenen und unwissenden Leser den Zugang zu seinen Gedanken nicht selten in erheblichem Maße erschwert.) Oft frage ich mich, ob in den Gedichten von Sergej Tenjatnikow nicht auch ein großes Maß Fatalismus mitschwingt, wie in seinem „Prager Frühling.“ Mich erinnert dieses Gedicht an ein Gedicht, das meines Wissens aus der Feder Sacharows stammt und in dem es heißt: „Vielleicht hat es keinen Krieg gegeben und die Menschen haben das alles nur geträumt.“ Sicherlich ist die Wahrnehmung der Ohnmacht gegenüber dem eigenen Schicksal ein prägendes Element der Menschen des vergangenen Jahrhunderts; es scheint einerlei welche Macht herrscht und ihre Herrschaft mit Lügen rechtfertigt, dem einzelnen Menschen ging und geht es dort wie hier scheinbar weder besser noch schlechter. Dennoch ist der Prager Frühling ein historisches Ereignis, dessen Bewertung stark von politischen Standpunkten bestimmt wird; für die einen ist er ein diktatorisch unterdrückter Versuch der Durchsetzung einer freiheitlich-demokratischen politischen Kultur; für die anderen eine historisch notwendige Verteidigung einer sozial gerechten Gesellschaft gegen den Versuch einer Konterrevolution, die unter der demagogischen Verkleidung von Freiheit und Demokratie daher kam. Das lyrische Ich hingegen hätte während des Prager Frühlings Nutten abgeschleppt und man fragt sich doch, ob ihm der politische Streit gleichgültig ist und der Gang der Geschichte unabänderlich. Darf man dem zustimmen? Und welche Alternativen bietet das Leben sonst? Andererseits wäre die Lyrik Sergej Tenjatnikows m. E. nicht derart zeitgemäß, wenn sie nicht derart widersprüchlich und vom Standpunkt des unparteiischen kritischen Intellektuellen verfasst wäre. In ihr drückt sich meiner Meinung nach die Gefühls- und Gedankenwelt des denkenden Individuums aus, das sich in einer Übergangszeit darüber bewusst wird, dass die Mächte, dem es in Vergangenheit und Gegenwart gegenüber stand und steht, sich nicht dadurch voneinander unterscheiden, wer die Wahrheit gesagt hat und sagt, sonder wer mehr oder weniger gelogen hat und lügt; und dem manchmal wie dem Revolutionär im Gedicht „Linke Narbe“ kein anderer Trost bleibt als ein Schluck aus der Flasche. Was wäre zeitgemäßer?
Die Windmuehle ist ein Weblog, der allen Menschen Raum geben möchte, die Lust und Freude haben am Denken, Schreiben, Malen, Fotografieren und ihrer Kreativität und ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen. Die Windmuehle folgt keiner inhaltlichen Ausrichtung, außer der Idee vom Wert jedes einzelnen Menschen. Sie möchte mit ihren Beiträgen den Geist der Kultur, der Menschlichkeit und der weltanschaulichen Toleranz fördern und zum selbstständigen und kritischen Denken anregen.
Man sagt, Kunst sei Ausdruck ihrer Zeit. Ich denke, dass dies auf die Gedichte Sergej Tenjatnikows zutrifft; zumindest kenne ich keinen Lyriker, der formal und inhaltlich vergleichbare Gedichte geschrieben hat. Sergej Tenjatnikows Lyrik kann also nicht nur bezogen auf ihre Entstehungszeit als zeitgenössisch bezeichnet werden. Wer ihn kennt, weiß, dass die Suche nach neuen poetischen Ausdrucksmitteln, das Neuerschaffen und nicht das Nachahmen auch ein Anspruch ist, den der Autor an sich selbst erhebt. Das vorrangige poetische Instrument Sergej Tenjatnikows ist die Metapher, seine zahlreichen bildlichen Vergleiche und Gleichnisse, für deren Verständnis nicht selten Hintergrundwissen und Kenntnisse von Nöten sind. (Dieses Hintergrundwissen beim Leser vorauszusetzen, halte ich aber auch für eine seiner Schwächen, weil das dem unbefangenen und unwissenden Leser den Zugang zu seinen Gedanken nicht selten in erheblichem Maße erschwert.)
AntwortenLöschenOft frage ich mich, ob in den Gedichten von Sergej Tenjatnikow nicht auch ein großes Maß Fatalismus mitschwingt, wie in seinem „Prager Frühling.“ Mich erinnert dieses Gedicht an ein Gedicht, das meines Wissens aus der Feder Sacharows stammt und in dem es heißt: „Vielleicht hat es keinen Krieg gegeben und die Menschen haben das alles nur geträumt.“ Sicherlich ist die Wahrnehmung der Ohnmacht gegenüber dem eigenen Schicksal ein prägendes Element der Menschen des vergangenen Jahrhunderts; es scheint einerlei welche Macht herrscht und ihre Herrschaft mit Lügen rechtfertigt, dem einzelnen Menschen ging und geht es dort wie hier scheinbar weder besser noch schlechter. Dennoch ist der Prager Frühling ein historisches Ereignis, dessen Bewertung stark von politischen Standpunkten bestimmt wird; für die einen ist er ein diktatorisch unterdrückter Versuch der Durchsetzung einer freiheitlich-demokratischen politischen Kultur; für die anderen eine historisch notwendige Verteidigung einer sozial gerechten Gesellschaft gegen den Versuch einer Konterrevolution, die unter der demagogischen Verkleidung von Freiheit und Demokratie daher kam. Das lyrische Ich hingegen hätte während des Prager Frühlings Nutten abgeschleppt und man fragt sich doch, ob ihm der politische Streit gleichgültig ist und der Gang der Geschichte unabänderlich. Darf man dem zustimmen? Und welche Alternativen bietet das Leben sonst? Andererseits wäre die Lyrik Sergej Tenjatnikows m. E. nicht derart zeitgemäß, wenn sie nicht derart widersprüchlich und vom Standpunkt des unparteiischen kritischen Intellektuellen verfasst wäre. In ihr drückt sich meiner Meinung nach die Gefühls- und Gedankenwelt des denkenden Individuums aus, das sich in einer Übergangszeit darüber bewusst wird, dass die Mächte, dem es in Vergangenheit und Gegenwart gegenüber stand und steht, sich nicht dadurch voneinander unterscheiden, wer die Wahrheit gesagt hat und sagt, sonder wer mehr oder weniger gelogen hat und lügt; und dem manchmal wie dem Revolutionär im Gedicht „Linke Narbe“ kein anderer Trost bleibt als ein Schluck aus der Flasche. Was wäre zeitgemäßer?
Roman